Samstag, 10. November 2007

Faszination Windsurfen

Es war im Jahre 1988: Ich war schon in Berlin, besaß ein Auto, jedoch noch keine Wohnung, als es mir mal wieder reichte. Ich schmiss alle bisherigen bürgerlichen Pläne über den Haufen und schaffte mir von der Notgeldreserve meiner im Urlaub sich befindenden Eltern eine Surfausrüstung an. In Kiel, nach dem ebenso aufregenden wie kostenspieligen Einkauf, suchte ich nach dem nächsten Strand. Vorbereitet durch die Lektüre einiger Bücher, die ich in einer Buchhandlung neben der Gedächtniskirche erworben hatte, begann ich fröhlich-aufgeregt, die Surf-Ausrüstung zusammen zu bauen. Die ersten Schritte waren schnell vollbracht, und ich lernte das Windsurfen auf dem Surfbrett durch meinen Enthusiasmus gut und schnell. Mein weiteres Erlernen dieser Sportart fand bei einem dreiwöchigem Urlaub am Gardasee statt: Nach einer kurzen Stippvisite in Corvara (Liebelei mit einer Südtirolerin) nahm ich frohgesinnt das Lernen der neuen Sportart in Angriff: Das Segel aus dem Wasser ziehen, Wende und vor allem die Halse bewältigen. Auto, Zelt und Campingkocher: Es ging nicht um Komfort, sondern um die Faszination des Windsurfens. - Am Norden des Gardasees - das ist zu wissen - wechseln sich die Winde ab: Am Morgen entsteht ein Fallwind, da sich die kalte Luft aus den Alpen auf den See ergießt: Die Ora, der Nordwind. Nach einer etwa einstündigen Flaute gegen Mittag bläst der Vento aus dem Süden, da nun die erwärmte Luft in den Bergen aufsteigt. Einen Tag nutzte ich den wechselnden Wind, um einen Ausflug nach Süden zu machen: Auf Raumschootkurs surfte ich etwa 3-5 Kilometer nach Süden. Bei der Flaute machte ich auf meinem Surfbrett eine Pause, und sagte zu einem anderen Surfer, welcher den gleichen Ausflug machte: »Jetzt nur noch Pausenbrot, Kaffee und Zigarette, dann wär's perfekt!« Drei Wochen verbrachte ich am Gardasee mit Windsurfen. Zurück in Berlin, hatte ich leichte Sprachschwierigkeiten, so beeindruckt war ich von der Welt des Windsurfens. Später, einmal auf Römö und auf Gran Canaria (1992), versuchte ich mich im Brandungssurfen: Die Wellen abreiten, und dann und wann, wenn eine entgegenkommende paßte, einen mittelgroßen Sprung wagen. Mein höchster von ca. 2 Metern ist auf einem Foto festgehalten. -
Später, in Schleswig-Holstein, waren die meinem Können angemessenen Windbedingungen rar. So kam es, dass ich einmal, als an der Ostsee eine kleine Sturmflut war, meine Sachen ins Auto packte und losfuhr. Dort waren die »Freaks« mit ihren VW-Bussen und den kleinen Brettern versammelt. Unter ihnen fühlte ich mich ein wenig fremd und als Anfänger. Nichtsdestotrotz baute ich mein Gerät auf und begab mich auf See. Die etwa zwei Meter hohen Wellen luden zu einer Berg- und Talfahrt und zu einigen Sprüngen ein. Es war ein sagenhaftes Erlebnis mit einer gehörigen Portion Nervenkitzel. Und auch nicht ganz ungefährlich. -
Ein anderes Mal - ich wartete in Schleswig-Holstein auf guten Wind - erhob sich gegen Abend ein kleiner Herbststurm. Ich packte voller Vorfreude meine Surfausrüstung in mein Auto und fuhr los. An den Plöner See. Dort hatte ich auf Flachwasser meine Freude: Speedsurfen mit ein paar body-drags (das Hinterteil bei schneller Fahrt mal ins Wasser halten, dass es spritzt) stillten meine Abenteuerlust. Wie ein Besessener frönte ich trotz Kälte (es waren ca. 5° Celsius) und einbrechender Dunkelheit diesem wunderschönen Sport. Trotz kälteschützendem Anzug und Handschuhen waren meine kleinen Finger vor Kälte taub geworden und am Ende war es ganz duster, so dass ich Schwierigkeiten bekam, mein noch dazu schwarzes Auto am Ufer auszumachen. Dies beides war mir jedoch Nebensache. Ich hatte einen schönen Surf-Ausflug. -
Das war's dann so etwa. 1990 nahm ich mein Studium an der FU Berlin auf, und nach kurzer, heftiger Krankheit lud mich meine Mutter 1992 noch zu einem Urlaub auf Gran Canaria ein, wo ich auch ein paar Male surfen konnte. Der Inhaber des Brettverleihs war der Vater von Björn Dunkerbeck, neben Robbie Naish seinerzeit einer der weltbesten Surfer. - Das war so etwas wie das Auskosten der letzten Glut eines erloschenen Streichholzes. Das Streichholz war ein edles: Ein umweltfreundlicher Sport, dem als Antrieb auf dem Wasser der Wind genügt. Dann musste ein neues Streichholz her: Die Philosophie und Geisteswissenschaft.